Kioske und Wasserhäuschen habe eine lange Geschichte. Bisweilen sind sie wieder angesagt. Das hat auch mit Nostalgie zu tun, aber nicht nur.

Kioske und Wasserhäuschen habe eine lange Geschichte. Bisweilen sind sie wieder angesagt. Das hat auch mit Nostalgie zu tun, aber nicht nur.

Bier, Zigaretten, Zeitung und dazu eine gemischte Tüte für die Kinder: Das war jahrzehntelang die klassische Bestellung am Kiosk. Viele der Einrichtungen, zu denen auch die für Frankfurt typischen Wasserhäuschen zählen, haben sich inzwischen gewandelt. 

Vor ungefähr zehn Jahren seien erste Betreiber auf die Idee gekommen, relativ hochpreisige Kaffee-Spezialitäten und andere hippe Getränke zu verkaufen, sagt der Frankfurter Gästeführer Hubert Gloss. „Das ist die Schattenseite der ganzen Entwicklung. Das gefällt mir gar nicht, diese Gentrifizierung durch den Preis, dass dann ein Bier das Doppelte kosten muss.“ 

Kiosk als Mikrokosmos der Gesellschaft

Kioske müssten ein zwangloser Ort der Begegnung bleiben, eine Art Mikrokosmos der Gesellschaft, wo jeder jeden treffe, sagt Gloss. Er weiß, wovon er spricht. Denn der 67-Jährige ist ein Experte auf dem Feld. 1991 bekam der Fotograf den Auftrag, Wasserhäuschen – die speziellen freistehenden Frankfurter Kioske – abzulichten. Er kreierte eigene Postkarten, Poster und stellte seine Bilder aus. Im Oktober ist eine neue Ausstellung bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Ostend geplant. Die Kiosk-Kultur boomt, wie er sagt. Junge Leute bräuchten Eventräume, zugleich würden Bars, Gaststätten oder Cafés immer teurer. 

Seit fast zehn Jahren ist Gloss auch Stadtführer und erzählt den Besuchern die Geschichte der Wasserhäuschen, die traditionell zum Stadtbild gehören. Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden diese Trinkhallen. Die städtisch genehmigten Wasserhäuschen sollten durch den Verkauf von Mineralwasser dazu beitragen, „dass die Arbeiter verstärkt Wasser tranken und nicht – wie so oft – Bier und Schnaps“, heißt es auf der Seite der Stadt. Ob dieses Konzept auf lange Sicht aufging, sei dahingestellt. 

In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere der Buden – oft mit wunderschönen Fassaden oder Dächern – abgerissen. Gloss geht davon aus, dass im gesamten Stadtgebiet noch etwa 60 der traditionellen Wasserhäuschen stehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg soll es mehrere Hundert gewesen sein. Hinzu kamen liberalisierte Ladenöffnungszeiten und die Konkurrenz der Tankstellen, die manch einem Kiosk die Grundlage entzogen. Und aktuell soll im Stadtteil Bockenheim ein Kiosk vor dem Aus stehen – wegen der Kündigung des Mietvertrags.

Nostalgie-Kiosk in Darmstadt

Doch es kehren auch alte Kioske zurück: Ganz der Nostalgie verschrieben hat sich etwa der „Kiosk 1975“ im Darmstädter Postviertel. „Erinnern Sie sich? Die 70er Jahre. Da erfrischte man sich mit Afri-Cola und Bluna. Schleckte Dolomitti und Brauner Bär. Lutschte Kirsch-Lollis, naschte weiße Mäuse. Lass Echo, Tagblatt, Rundschau oder FAZ. Trank Kaffee mit Schuss. Rauchte HB oder Stuyvesant“, heißt es auf der Homepage des Kiosks. Das alles sei Alltag an zahlreichen Büdchen in ganz Deutschland gewesen. Alleine in der Postsiedlung habe es sechs gegeben. Verschwunden seien auch der Schwatz an der Bude, die vielen kleinen netten Alltags-Begegnungen. „Kleine soziale Orte haben sich in Luft aufgelöst.“

Der „Kiosk 1975“, eines der Büdchen, wurde von einem Nachbarschaftsverein saniert und im letzten Jahr wieder eröffnet. Kurz darauf wurde der Kiosk Landessieger beim Deutschen Nachbarschaftspreis 2023. Es handle sich um einen „beeindruckenden Beitrag zu mehr Gemeinschaft und Begegnung“, hieß es seitens der Landesregierung.

70 Kiosk-Neuanmeldungen in Frankfurt

In Frankfurt sind seit Jahresbeginn etwa 70 Kioske beim Ordnungsamt neu angemeldet worden. Eine Unterscheidung, ob es sich in den einzelnen Fällen um die Übernahme bereits bestehender Betriebe – also den Wechsel der Inhaber – oder tatsächlich um ganz neue Kioske handelt, sei grundsätzlich nicht möglich, hieß es.

Einer dieser Kioske liegt auf dem Oeder Weg im Nordend und hat seit einigen Monaten neue Betreiber – und einen neuen Namen: Am „Oedi Kiosk“ wurden zur Fußball-Europameisterschaft und den Olympischen Spielen die Sport-Wettkämpfe auf großen Fernsehern übertragen und zahlreiche Menschen schauten zu. „Hier versammeln sich ganz viele verschiedene Leute. Und das Schöne ist, die Nachbarschaft kommt sehr gerne“, sagt Mehmet Fil, der den Kiosk gemeinsam mit seinen Kindern betreibt. 

Neben dem Kiosk gibt es zudem noch einen kleinen Garten, in dem man entspannt sitzen und trinken kann. Den Betreibern scheint der Spagat zwischen Tradition und Moderne gut zu gelingen: Neben Bier, Apfelwein und alkoholfreien Getränken gibt es auch Aperol Spritz und Hugo. Auf einer Kreidetafel wird dazu aufgerufen, dem „Oedi Kiosk“ auf Instagram zu folgen – und mit etwas Glück einen Verzehrgutschein zu gewinnen. Im Angebot ist natürlich auch der Kiosk-Klassiker, die gemischte Tüte. Die werde immer noch gerne gegessen, sagt Fil.